Traumaverarbeitung und Craniosacrale Therapie

Einige Zusammenhänge erklärt
veröffentlicht von Bernd am 11. Juli 2025

Craniosacrale Therapie (CST) kann Traumata ins Bewusstsein bringen und auch bei einer Traumatherapie unterstützen. In diesem Artikel erhalten Sie einen Überblick über zentrale Begriffe rund um das Thema Trauma und Craniosacrale Therapie.

Disclaimer

Dieser Artikel dient zur allgemeinen Information und stellt keine medizinische Beratung dar. Ich habe mich intensiv mit Trauma in Aus- und Weiterbildung beschäftigt und tue dies weiterhin, biete aktuell jedoch keine explizite Traumatherapie an. Für Unterstützung einer Traumatherapie im Einvernehmen mit dem behandelnden Therapeuten stehe ich gerne zur Verfügung. Für den Umgang mit Situationen, in denen sich Trauma während einer Behandlung zeigt, fühle ich mich durch meine Aus- und Weiterbildung gut vorbereitet. Dies bestätigt meine bisherige Erfahrung auch so.

Inhaltsverzeichnis

  1. Was versteht man unter Trauma?
  2. Was ist Craniosacrale Therapie (CST)?
  3. Warum kann Craniosacrale Therapie bei Trauma hilfreich sein?
  4. Die Polyvagal-Theorie: Ein weiterer Schlüssel zum Verständnis von Trauma
  5. Die Rolle des Vagusnervs in der Regulation
  6. Wie kann Craniosacrale Therapie im Umgang mit Trauma unterstützen?
  7. So entwickelt sich der Verlauf der Craniosacralen Therapie
  8. Die Rolle des Craniosacral-Therapeuten
  9. Für welche Themen und Traumata bietet sich die Craniosacrale Therapie als Behandlungsmethode an?
  10. Fazit: CST kann traumatherapeutisch begleiten

Was versteht man unter Trauma?

Trauma ist eine Erfahrung, die sich tief in Körper und Nervensystem einprägt. Diese geht auf ein Ereignis zurück, das in der fernen oder nicht allzu fernen Vergangenheit liegt und zeitlich nicht abgeschlossen wurde. Viele Menschen tragen Belastungen in sich, zu denen sie keinen Zugang haben. Craniosacrale Therapie kann einen Weg eröffnen, der den Körper mit einbezieht und wieder ins Gleichgewicht führt. Dieser Artikel soll beleuchten, wie Craniosacrale Therapie die Verarbeitung von Traumata unterstützen kann und wo die Grenzen sind.

Der Begriff „Trauma“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet ursprünglich „Wunde“. In der Psychotraumatologie bezeichnet er jedoch keine sichtbare Verletzung, sondern eine seelische oder körperlich-emotionale Überwältigung, die das Nervensystem dauerhaft aus dem Gleichgewicht bringen kann.

Medizinisch-psychologische Definitionen:

Laut der ICD-11 (Internationale Klassifikation der Krankheiten) handelt es sich bei einem Trauma um ein außergewöhnlich bedrohliches oder katastrophales Ereignis, das bei fast jeder Person eine tiefe Verzweiflung auslösen würde.

Das DSM-5 (Diagnostisches und Statistisches Manual psychischer Störungen) beschreibt Trauma als direkte oder indirekte Konfrontation mit tatsächlichem oder drohendem Tod, schwerer Verletzung oder sexueller Gewalt – durch eigenes Erleben, Beobachtung oder durch die Erzählung Dritter.

Somatische Sichtweise:

Trauma ist jedoch nicht das Ereignis selbst, sondern die nicht abgeschlossene Reaktion des Körpers auf dieses Ereignis. Wie Dr. Peter Levine betont, ist Trauma „die im Nervensystem gebundene Energie“ – ein biologischer Überlebensmechanismus, der nicht zu Ende gebracht werden konnte.

In diesem Sinne kann ein Trauma auch dann entstehen, wenn das Ereignis objektiv „nicht dramatisch“ wirkt, subjektiv jedoch als überwältigend erlebt wurde – etwa durch Ohnmacht, Hilflosigkeit oder Kontrollverlust. Dies entspricht jedoch nicht den älteren Trauma Definitionen wie z.B. der des ICD-10, wo das objektiv dramatische Ereignis als Voraussetzung gilt.

Zwei grundlegende Traumakategorien:
  1. Schocktrauma: entstanden durch ein einmaliges, gravierendes plötzliches Ereignis: Unfälle, Naturkatastrophen, medizinische Eingriffe oder Gewalterfahrungen. Dieses Ereignis kann einem selbst oder einer nahestehenden Person widerfahren sein.
  2. Entwicklungstrauma: entstanden durch wiederholte, meist frühkindliche Erfahrungen emotionaler Unsicherheit, Vernachlässigung oder fehlender Bindung. Diese wirken sich tief auf das Selbstbild, das Bindungsverhalten und die Körperwahrnehmung aus.

Beiden Formen ist gemeinsam, dass das autonome Nervensystem in einem Zustand der Überforderung verharrt – mit möglichen Folgen wie Schlafstörungen, innerer Unruhe, Angstzuständen oder dem Gefühl, vom eigenen Körper abgeschnitten zu sein.

Zu unterscheiden ist die traumatische Erfahrung und das Trauma. Die traumatische Erfahrung muss nicht unbedingt zum Trauma führen, jedes Trauma geht jedoch aus einer traumatischen Erfahrung hervor.

Andere Verwendungen des Trauma-Begriffs:

Trauma wird in der Medizin auch verwendet, wenn von körperlichen Verletzungen die Rede ist. Körperliche Traumata können psychische Traumata bedingen, können aber auch unabhängig voneinander gemeinsam vorliegen.

Umgangssprachlich wird mit Trauma leider inzwischen jede etwas unangenehme Erfahrung bezeichnet, wenn man den unangenehmen Charakter betonen möchte. Dies führt leider zu einer Verwässerung des Begriffs und zu einer Verharmlosung psychischer Traumata.

Was ist Craniosacrale Therapie?

Die Craniosacral-Therapie ist eine manuelle Behandlungsform, die ihren Ursprung in der Osteopathie hat und von Dr. John E. Upledger in den 1970er-Jahren zu einer eigenständigen Methode weiterentwickelt wurde.

Sie basiert auf der Wahrnehmung feiner rhythmischer Bewegungen im Körper, dem sogenannten craniosacralen Rhythmus. Ziel ist es, über achtsame, manuelle Impulse die Selbstregulationsfähigkeit des Körpers zu unterstützen und Spannungen im Gewebe zu lösen.

Laut dem Upledger Institute International ist CranioSacral Therapy (CST) „eine sanfte, manuelle Methode zur Evaluierung und Verbesserung der Funktion eines physiologischen Körpersystems, des sogenannten craniosacralen Systems" Mit einem Druck von kaum Fünf Gramm (etwa das Gewicht einer Ein-Euro-Münze) werden Spannungen gelöst, was die Funktionsfähigkeit des zentralen und vieler weiterer Körpersysteme verbessern kann.

Die Methode wird heute bei Menschen jeden Alters angewendet und eignet sich als Begleitung bei einer Vielzahl von Beschwerden.

Weitere Informationen zur Wirkweise und zu den Ursprüngen der Craniosacralen Osteopathie finden Sie unter:
👉Craniosacrale Osteopathie – In Touch With Health

Warum kann Craniosacrale Therapie bei Trauma hilfreich sein?

Der Psychologe und Traumatherapeut Dr. Peter Levine, Begründer von Somatic Experiencing®, beschreibt Trauma als „im Nervensystem gebundene Energie“. Gemeint ist damit die Überlebensenergie, die in einer als bedrohlich empfundenen Situation mobilisiert wurde – etwa für Kampf oder Flucht – und dann nicht zum Einsatz kam, weil die natürliche Reaktion blockiert oder unterbrochen wurde.

Das autonome Nervensystem reagiert auf Gefahr automatisch mit der sogenannten Fight‑Flight‑Freeze‑Response: Kampf, Flucht oder Erstarrung. Wird diese Schutzreaktion nicht vollständig durchlaufen, bleibt der Körper in Alarmbereitschaft – obwohl die Gefahr längst vorbei ist. Trauma bedeutet für den Körper also einen Zustand anhaltender Überwältigung.

Tiere entladen solche Zustände instinktiv, etwa durch Zittern. Beim Menschen bleibt diese Reaktion hingegen oft aus – etwa weil soziale oder kulturelle Faktoren sie unterdrücken oder weil der Organismus in Schock erstarrt. Die Folge: Die Energie bleibt im Nervensystem gebunden und kann zu Symptomen führen wie:

  • Schlafstörungen
  • emotionale Reizbarkeit
  • innere Unruhe
  • chronische Schmerzen
  • Angstzustände
  • oder das Gefühl, „nicht richtig im Körper zu sein“

In der von Levine entwickelten Methode Somatic Experiencing wird diese Reaktion im geschützten Rahmen vorsichtig „zu Ende gebracht“ – über das Nacherzählen der Geschichte, das Spüren und das Ändern der Perspektive auf das Ereignis. Danach kann das Erlebte im Nervensystem als abgeschlossen abgespeichert werden.

Die Craniosacrale Therapie kann hier positiv unterstützen: Sie spricht das Nervensystem über sanfte Berührung an, fördert die Selbstregulation und schafft Raum für Integration. CST wirkt regulierend auf das Nervensystem und unterstützt so die natürliche Heilungsfähigkeit des Körpers.

Die Polyvagal-Theorie: Ein weiterer Schlüssel zum Verständnis von Trauma

Die Polyvagal-Theorie von Dr. Stephen Porges bietet ein Modell zur Erklärung, wie das autonome Nervensystem auf Stress und zwischenmenschliche Erfahrungen reagiert. Sie unterscheidet drei Hauptzustände:

  • Ventrales Vagus-System: Sicherheit, soziale Verbindung, Kommunikation, Entspannung
  • Sympathikus: Aktivierung, Kampf- oder Flucht, Stress
  • Dorsaler Vagus: Erstarrung, Rückzug, Dissoziation

Nach traumatischen Erfahrungen können Betroffene im sympathischen oder dorsalen Zustand „festhängen“. Die Fähigkeit zur Selbstregulation ist eingeschränkt, der Zugang zu Sicherheit und Beziehung blockiert.

Die Polyvagal-Theorie hat in der Körperpsychotherapie eine breite Anwendung gefunden, ist jedoch wissenschaftlich nicht unumstritten. Einige Aspekte, insbesondere die Einteilung der Vagus-Anteile, werden weiterhin kritisch diskutiert und gelten als hypothesengeleitet und nicht als allgemein anerkanntes neurobiologisches Modell.

Dennoch bietet sie eine hilfreiche Landkarte, um körperliche Reaktionen auf Trauma besser zu verstehen – gerade in körperorientierten Therapien. So lassen sich auch in der CST anhand der Idee der Polyvagal Theorie Methoden finden und erklären, die das vegetative Nervensystem balancieren und festhängende Zustände auflösen können. Auch bietet sich eine Kombination von Übungen für den ventralen Vagus mit der CST an.

Die Rolle des Vagusnervs in der Regulation

Der Vagusnerv – oft als „Selbstheilungsnerv“ bezeichnet – ist der bedeutendste Nerv des parasympathischen Systems. Er verläuft vom Gehirn zu Herz, Lunge und Verdauungstrakt und ist wesentlich an der Regulation von Atmung, Herzfrequenz, Verdauung sowie emotionaler Balance beteiligt.

Sanfte Impulse, wie sie in der Craniosacral-Therapie eingesetzt werden, können den Vagusnerv gezielt stimulieren und so das Nervensystem wieder in eine Balance bringen.

Dadurch wird das autonome Nervensystem dabei unterstützt, aus Zuständen von Übererregung oder Erstarrung in einen ausgeglichenen Zustand zurückzufinden. Viele Menschen berichten im Anschluss an eine Behandlung von mehr innerer Ruhe, verbesserter Verdauung, vertiefter Atmung und einem gestärkten Gefühl von Sicherheit und Verbundenheit mit dem eigenen Körper.


Craniosacrale "Energiezystenarbeit" (Arbeit mit im Körper gespeicherter Erinnerung)
Craniosacrale Annäherung an eine "Energiezyste" (im Körper gespeicherte Erinnerung)

Wie kann Craniosacrale Therapie im Umgang mit Trauma unterstützen?

Die Craniosacrale Therapie wirkt regulierend auf das autonome Nervensystem – genau dort, wo traumatische Erfahrungen oft unbewusst gespeichert sind. Ihre Wirkung folgt keinem festen Ablauf, sondern zeigt sich individuell: im Erleben, im Nachlassen von Symptomen und im Wiederentdecken innerer Sicherheit.

Im Idealfall stellt die craniosacrale Berührung eine Verbindung zur traumatischen Erinnerung her – und gleichzeitig eine Ressource für deren geistige und emotionale Verarbeitung. Durch die Regulation des vegetativen Nervensystems kann ein Entgleisen in Übererregung (Hyperarousal) oder Dissoziation abgeschwächt oder verhindert werden.

Wichtig

Wie jede Traumatherapie sollte auch die Craniosacrale Arbeit achtsam, prozessorientiert und im Tempo der Klientin oder des Klienten erfolgen. Die Berührung ersetzt keine andere Ressource – sie ergänzt sie. Berührung erfordert immer ein besonderes Vertrauensverhältnis. Dieses muss im Vorfeld geschaffen und langsam aufgebaut werden.

Im therapeutischen Prozess kann Craniosacrale Therapie unter anderem:

  • das Nervensystem beruhigen und die Selbstregulation anregen
  • dem Körper ermöglichen, alte Schutzreaktionen schrittweise loszulassen
  • ein Gefühl von Vertrauen fördern – in sich selbst, in Berührung, in Beziehung
  • den inneren Heilungsimpuls unterstützen, ohne etwas zu forcieren
  • helfen, traumatische Empfindungen zeitlich und körperlich einzuordnen („damals – nicht hier und jetzt“)

Craniosacrale Berührung an den Füßen
Craniosacrale Berührung an den Füßen wirkt oft beruhigend und Vertrauen aufbauend

So entwickelt sich der Verlauf der Craniosacralen Therapie

Zu Beginn ist die Behandlung meist non-verbal – und damit besonders geeignet für Menschen, deren Erfahrungen sich schwer in Worte fassen lassen oder die sich durch Gesprächstherapien überfordert fühlen.

Im Verlauf mehrerer Sitzungen entsteht oft ganz natürlich ein verbaler Zugang – über die Körpererfahrungen und das wiederentdeckte Spürbewusstsein. Häufig zeigt sich von selbst ein Moment, in dem das Bedürfnis entsteht, Erlebtes in Worte zu fassen.

Dabei wird nichts forciert. Es werden lediglich Angebote gemacht und ein geschützter Raum geschaffen, der einen behutsamen Dialog ermöglicht.

Durch verbale Angebote und Fragen können emotionale Vorgänge verlangsamt oder die Perspektive auf das Erleben verändert werden.

Ein therapeutisches Gespräch – auch zu einem späteren Zeitpunkt – kann helfen, die in der Behandlung ausgelösten Empfindungen zuzuordnen, besser zu verstehen und nachhaltig zu integrieren.

Die Rolle des Craniosacral-Therapeuten

Gerade in der Traumaarbeit ist es entscheidend, dass nichts forciert wird. Craniosacrale Körperpsychotherapie begegnet dem Körper mit Achtsamkeit und Respekt – sie folgt dem, was sich zeigen will, und überlässt dem System die Führung.

Sanfte Unterstützung seitens des Therapeuten erfolg im Hinblick auf das Tempo des Erlebens und dessen Intensität. Der Patient behält immer die Entscheidung über die Prozesse und erfährt dadurch seine Selbstwirksamkeit.

Für welche Themen und Traumata bietet sich die Craniosacrale Therapie als Behandlungsmethode an?

Ob Craniosacrale Therapie sinnvoll eingesetzt werden kann, hängt wesentlich von zwei Voraussetzungen ab: einem stabilen Vertrauensverhältnis und dem Gefühl körperlicher Sicherheit. Körperliche Berührung darf niemals übergriffig wirken – die Zustimmung der Klientin oder des Klienten muss jederzeit gegeben, bewusst und widerrufbar sein. Gerade im Kontext traumatischer Erfahrungen ist hier besondere Achtsamkeit geboten.

Die Methode kann unterstützend wirken bei Menschen, die:

  • sich körperlich oder emotional von belastenden Erfahrungen distanziert fühlen
  • chronische Anspannung oder vegetative Dysregulation erleben
  • mit psychosomatischen Beschwerden zu tun haben
  • sich langsam und in ihrem Tempo einem Trauma Thema nähern möchten

Auch als Begleitung in Umbruchphasen, nach medizinischen Eingriffen oder zur Integration intensiver Erfahrungen kann CST hilfreich sein – stets im Rahmen des individuell Machbaren und mit Achtsamkeit gegenüber bestehenden Grenzen.

Fazit: CST kann traumatherapeutisch begleiten

Traumaverarbeitung braucht Zeit – und vor allem Sicherheit. Unter den richtigen Voraussetzungen kann die Craniosacrale Therapie beides bieten: einen geschützten Raum und einen sanften Zugang über den Körper.

Sie kann dabei helfen, wieder im Körper anzukommen, alte Muster loszulassen oder zu verändern und eine neue Verbundenheit zu sich selbst zu spüren. Dabei dient sie nicht als Ersatz für eine Trauma- oder Psychotherapie, sondern als Ergänzung.

Bernd Hußnätter in der Praxis Fraunhoferstraße 38

Weitere Informationen zur therapeutischen Begleitung: Sie möchten mehr über die meine Behandlungsverfahren und den Behandlungsablauf erfahren? Dann kontaktieren Sie mich gern über das Kontaktformular. Wenn Sie mir Ihre Telefonnummer hinterlassen, rufe ich gern zurück. Oder vereinbaren Sie direkt einen Termin in meiner Heilpraktiker-Praxis in Berg am Laim. Beachten Sie, dass ich erst nach einer ausführlichen Anamnese entscheide, welche Behandlungsmethode geeignet ist.


Ihr Bernd Hußnätter


Kontakt

Ich freue mich auf Ihre Nachricht.

captcha
Brain Gym ist eine eingetragene Marke von Brain Gym International